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BAM-Workshop 23./24.01.2017: IT-Integration zwischen Makler, Versicherer und Dritten

Am 23. und 24.01. veranstaltete der Berliner Arbeitskreis Maklerprozesse wieder den jährliche Workshop zu IT-Themen rund umd die technische Unterstützung von Maklern.

Die einzelnen Vorträge:

dvb-Makler-Audit 2016: Trends in der technischen Makleranbindung und Feedback aus der Maklerschaft

Auch 2016 hat die dvb wieder Makler zu diversen Themen rund um die technische Unterstützung durch die Versicherer befragt. Dabei haben sich die Trends der letzten Jahre weitestgehend fortgesetzt. Einige Kernpunkte dazu:
– Alle Extranets haben Schwächen
– Makler wollen Nutzen, keine Ablenkung – „Klicki-Bunti“-Redesign von Extranets im Stile der endkundenorientierten Web-Auftritte ist eher kontraproduktiv
– Eigentlich sind Extranets sinnlos: Makler brauchen die Daten in ihren Verwaltungssystemen, daher sollten Versicherer diese Daten per BiPRO-Normen zur Verfügung stellen
– Priorität bei der Umsetzung von BiPRO-Normen durch Versicherer sollte die Lieferung von Dokumenten haben. Danach folgt die Möglichkeit zur Veranlassung von Vertragsänderungen, danach die Lieferung kompletter Bestandsdaten an das MVP. Die TAA-Prozesse (die vielfach von den Versicherern zuerst angegangen werden) sind weniger interessant.
– Makler haben im Neugeschäft Verbindungen mit ca. 10 VU. Da hier aber im Laufe der Zeit einige Wechsel erfolgen, hat man im Bestand meist ein Vielfaches an VU-Verbindungen (typischerweise 40-60). Aus diesem Grunde ist der Hebel bei den Bestandsprozessen deutlich größer als bei den Neugeschäftsprozessen
– Die Marktuntersuchung zeigt, dass im standardisierten Gewerbegeschäft im Gegensatz zum Privatkundengeschäft noch vergleichsweise wenige Vergleichsrechner verwendet werden.
– Etwas überraschend: es gibt eine hohe Bereitschaft in der Maklerschaft, sich an den Kosten eines Single-Sign-On-Verfahrens zu beteiligen (50% der befragten Makler wären bereit, dafür monatlich 10€ oder mehr zu bezahlen)


BiPRO-Normen Gewerbe und Industrie

BiPRO hat im letzten Jahr neue Normen im Bereich der Gewerbe- und Industrieversicherung geschaffen und plant hier auch noch weitere Aktivitäten. Dazu einige Fakten:
– Im Projekt wurde pragmatisch unterschieden zwischen Klein-Gewerbe (alles, was maschinell tarifierbar ist) und Groß-Gewerbe und Industrie (alles, was nicht maschinell tarifierbar ist). Eine klare Abgrenzung zwischen Groß-Gewerbe und Industrie wurde nicht getroffen; hier ist aktuelle kein Unterscheidung notwendig.
– Die Norm 502.5 kommt voraussichtlich im Sommer 2017 im BiPRO-Release 2.7 und hat als Schwerpunkt das Klein-Gewerbe i.S. der obigen Definition; Groß-Gewerbe und Industrie werden eingeschränkt unterstützt.
– GeVos zur Bestandsänderung sind grundsätzlich möglich; in der Norm wurden aber keine spartenspezifischen Änderungsvorgänge spezifiziert. Dadurch beschränkt sich die Normierung der Änderungsprozesse auf den spartenunabhängigen Basisumfang.
– Schwerpunkt der Normierungen sind Prozesse rund um Meldungen des VN an das VU. Daher hat – im Gegensatz zu den bisherigen BiPRO-Normen – hier der VN explizit eine Rolle als Akteur im Prozess. Hier öffnet sich die BiPRO also grundsätzlich für Prozesse zwischen Endkunde und Vermittler, bei denen der Makler keine explizite Funktion im Prozess hat. Das eröffnet auch in anderen Sparten ganz neue Möglichkeiten – das ist aber hinsichtlich des gemeinsamen Positionspapiers von BiPRO und GDV auch nicht ganz unkritisch.


BiPRO in der Praxis

Hr. Kuhn gibt einen kurzen Abriss der Entwicklung der BiPRO-430er-Normen. In der Rückschau ist hier zu erkennen, dass sich Namen und Inhalte mehrfach verändert haben und die Entwicklung eine ganze Reihe von inkompatiblen Änderungen mit sich brachte, die Versicherer vor erhebliche Probleme gestellt hat. Die AL bleibt da aber am Ball, hat den aktuellen Stand der Norm 430.4 UC-6 (also die klassische Maklerpost) schon länger produktiv und plant, noch im ersten Quartal als einer der ersten VU auch die Use-Cases 1 und 2 (also die echte Bestandsdatenlieferung) umzusetzen.
Weiterhin hörten wir eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt MKK, welches in der Entwicklung auch diverse Neuorientierungen durchgemacht hat – mittlerweile ist nicht mehr so ganz klar, wo der Mehrwert gegenüber bisherigen Lösungen liegen soll.


Vernetzung ist alles

Zwischen grundsätzlichen Überlegungen zur Digitalisierung an sich gab es zwei Thesen, über die man einmal nachdenken sollte:
1. Das Internet ist ursprünglich als Informationsmedium angelegt (und nicht als Infrastruktur), bildet aber heute doch die zentrale Infrastruktur für digitale Geschäftsmodelle. Die grundsätzliche Anlage der Technologie und der Protokolle ist der Grund für manche Schwächen. Hier greift z.B. BiPRO semantic an.
2. Wesentliches Merkmal digitaler Märkte ist Abkehr von „Pipe“-Märkten (bei denen ganz klar, welcher Marktteilnehmer Provider und welcher Consumer ist) hin zu „two-sides“-Märkten, bei denen ein Akteur sowohl Anbieter als auch Nachfrager sein kann. Ich glaube zwar nicht, dass das allgemeingültig ist (gerade im Versicherungsbereich wird auch in digitalen Geschäftsmodellen wohl immer klar sein, wer Schutz anbietet und wer ihn in Anspruch nimmt); sicher ist aber, dass die Digitalisierung bestimmte Markteintrittsbarrieren abschafft (bzw. durch neue ersetzt) und so auch kleineren Markteilnehmern Möglichkeiten eröffnet.
Hr. Heussen stellte in einer Demo das b-ox-System der b-tix vor. Hierbei handelt es sich sowohl um ein iPaaS-Angebot (integrated platform as a service) als auch um einen Marktplatz für Software-Lösungen (und zwar sowohl für klassische Softwarelösungen als auch für Implementierungen, die in eben dieser b-ox-Plattform laufen). Innerhalb der Plattform sind u.a. eine News-Feed-App als auch Frontends für die BiPRO-Normen 430 und 440 „Postkorb“ bzw. „Portalsuche“ verfügbar. Technisch interessanter Aspekt dabei: die Plattform wird in der Amazon-Cloud gehostet. Datenschutzrechtlich ist das dadurch abgesichert, dass eine Speicherung garantiert in einem zertifizierten deutschen Rechenzentrum erfolgt.
Unerwähnt blieb die bisher mit dem Namen b-ox assoziierte Hardware-Lösung – ist diese möglichweise also bereits der eigenen Digitalisierung zum Opfer gefallen?


Versicherungsvertrieb 4.0 – ohne Infrastruktur geht nichts

Bei Acturis verfolgt man auf den ersten Blick einen ähnlichen Ansatz wie b-tix: man schafft eine Infrastrukturplattform, auf der Prozesse zwischen Vermittler und Versicherer ablaufen. Allein aus der BiPRO-Prozesslandkarte sind über 600 definierte Prozesse anzuleiten – diese sind nach Ansicht von Hrn. Rindermann unmöglich zwischen allen Marktteilnehmern bilateral zu Implementieren – trotz aller Standardisierungsbemühungen. In anderen Branchen hat sich für solche Fragestellen das sog. „Hub & Spoke“-Prinzip bewährt, bei dem Interemdiäre zum Einsatz kommen. Ein Beispiel dafür ist der internationale Luftverkehr, bei dem es zu einer Spezialisierung kam mit regionalen Zubringerflüge zu einigen wenigen Knotenpunkten, über die dann der Interkontinentalverkehr gebündelt (und damit hocheffizient) abgewickelt wird.
In dieser Rolle sieht man sich bei Acturis: eine (von möglicherweise mehreren) Plattformen, die eine bestimmte (möglichst hohe) Zahl von Akteuren an sich bindet. Dass Acturis durch die Bündelung von Maklerverwaltungs- und Vergleichssoftware hier auf der Maklerseite schon ein gewisses Potenzial erreich hat, ist ja bekannt. Neu war mir aber, dass Acturis jetzt auch direkt die Anbieterseite bedient: Versicherer können nicht nur über Acturis ihre BiPRO-Services als SaaS-Angebot betreiben, sondern auch direkt Produktberechnungen und Bestandsführung in der Acturis-Umgebung umsetzen lassen. In diesem Fall ist dann eine Bereitstellung von BiPRO-Services nur noch dann notwendig, wenn man auch Consumer bedienen will, die nicht ebenfalls in der Acturis-Welt unterwegs sind. Insofern eigentlich ein klarer Gegenentwurf zur BiPRO!


Single-Sin-On für Onlinedienste – easy Login im Einsatz bei Maklern und Versicherern

Das jährliche Update zu easy Login – dazu noch ein kurzer Abriss, wie easy Login und der SSO e.V. organisiert sind. Aktuelle Informationen:
– aktuell beträgt der Sharing-Grad der aktiven Benutzer ca. 3.5 VU pro Benutzer – hier läuft also wirklich SSO und nicht nur eine zentrale Bereitstellung von Authentifizierung für 1:1-Verbindungen
– es gibt über 17.000 aktive Anwender
– angeboten wird SSO sowohl für Portal als auch für (BiPRO-)Online-Services
– aktuell im Test befindet sich ein X.509-Authentifizierungsverfahren (insbes. für Organisationsbenutzer) als Alternative zu den bereits unterstützen Login-Verfahren (Hardware-Token, MTAN oder nPA)
– Möglichkeit des Account-Linkings von einigen Anbietern genutzt, für die die zentralen Datenhaltung nicht akzeptabel war
– in der Entwicklung ist das provider-initiierte SSO, bei dem aus dem VU-Portal in die SSO-Anmeldung verzweigt wird (normalerweise ist es umgekehrt: der Anwender geht auf das SSO-Portal und verzweigt von da in das VU-Portal)

Auf explizite Nachfrage zum Stand der Gespräceh zwischen easy Login und GDV sagte Hr. Ulrich, die Optionen lägen auf dem Tisch; bisher wurde aber keine Einigkeit erzielt. Neue Gespräche finden aktuell nicht statt.


Digitale Kommunikation im Maklerbetrieb – analog wird digital

Gleich zu Beginn eine Aussage, die zum Nachdenken anregt: „Der Makler beschäftigt seit Beginn der Digitalisierung mehr Angestellte mit nicht wertschöpfenden Tätigkeiten als früher“.
Dass das papierlose Büro noch lange keine Realität ist, wissen wir ja. Aber kann es sein, dass alle Bestrebungen in diese Richtung nur zu Mehraufwand geführt haben? Ich persönlich glaube das nicht; dass der Makler heute mehr Zeit für nicht wertschöpfende Tätigkeiten aufbringen muss, hat wohl vor allem mit anderen Entwicklungen zu tun: erhöhte Anforderungen durch Regulierung und Verbraucherschutz, Verschlechterung des Verhältnisses von Neu- zu Bestandskunden durch Marktsättigungseffekte und möglichweise auch erhöhte Kundenanforderungen. Sicher spielt hier aber auch die Tatsache hinein, dass Versicherer einen Teil der Arbeit hin zum Makler verlagern.
Herr Sanders führte aus, dass für Makler die Versorgung mit Bestandsdaten sehr wichtig ist. Dies kann – wenn es richtig gemacht wird – durchaus mit dem GDV-Datensatz erfolgen. Eine viel genutzte Alternative zur Datenversorgung ist die BiPRO-Norm 440 für den Direkteinsprung in die Extranets. So sind die Daten immerhin schnell einsehbar (wenn auch noch lange nicht im MVP des Maklers).
Im Vergleich zur Norm 440 wird die Postkorbnorm 430 wesentlich weniger genutzt. Das hat lt. Hrn. Sanders vor allem damit zu tun, dass die Belieferung mit Dokumenten in der Praxis weder vollständig noch zuverlässig funktioniert. Außerdem wand er ein, dass rechtliche Probleme noch völlig ungeklärt sind: hier wird schließlich aus einer Bringschuld eine Holschuld gemacht – dass man das als Makler nicht unbedingt gut findet, ist klar.
Aus Maklersicht könnte die BiPRO-Norm 430.7 (Vermittlerabrechnung) noch sehr interessant sein (ganz besonders für Pools). Leider gibt es hier derzeit wohl noch keine nennenswerten Implementierungsanstrengungen auf VU-Seite.
Fazit von Hrn. Sanders: der digitale Makler braucht
– ein gutes MVP
– die richtigen Kooperationspartner
– eigenes Know-How
– Leidensfähigkeit


100 Tage MKK 4.0

Herr Missy hatte die undankbare Aufgabe, einem mehrheitlich sowohl BiPRO- also aus Easy-Login zugeneigtem Kreis aktuelle Entwicklungen rund um GDV, TGIC und das Projekt MKK zu berichten – muss in etwa so angenehm sein, wie als Bundeskanzlerin bei CSU-Parteitag zu sprechen.
Inhaltlich gab es nicht ganz viel Neuigkeiten, aber doch die eine oder andere Klarstellung: das MKK-Projekt strebt weder die Entwicklung neuer BiPRO-Normen an, noch möchte man die Inhalte einer möglichen nächsten Digitalisierungsoffensive bestimmen – die TGIC hier behandelt nur die Authentifizierung, die eigentliche BiPRO-Services laufen komplett außerhalb der TGIC und unabhängig von der Standardisierung durch den GDV. Im Gegensatz zur Darstellung auf manchen älteren Folien gibt es aber durchaus Szenarien, bei denen die TGIC-Authentifizierung verwendet wird, um damit Anwendungen innerhalb der TGIC zu betreiben. Die Idee der Neuauflage des GDV-Branchennetzes als Closed-Shop innerhalb der TGIC ist also durchaus noch nicht vom Tisch.
Aktuell sind 19.000 Makler registriert. Das Bedeutet aber nicht, dass sie aktive Nutzer wären – hier werden alle Makler aufgelistet, die beim GDV ein Konto in der Weiterbildungsdatenbank haben (also eigentlich alle). Um TGIC-SSO zu machen, müssen sich diese Makler nochmal aktiv registrieren. Interessant wäre, wie viele das bisher getan haben…
Nach Aussage von Hrn. Missy wollte die TGIC nie Portal-SSO machen, sondern immer nur Authentifizierungsdienste für Web-Services anbieten. Dass es jetzt doch ein SSO-Portal mit Einsprungmöglichkeiten in VU-Extranets gibt, haben GDV-Mitgliedsunternehmen nachträglich gefordert, um nicht mehrere Verfahren gleichzeitig vorhalten zu müssen. Wenn eine geeignete Möglichkeit zur Kooperation mit easy Login gefunden wird, dann würde der GDV kein eigenes Portal mehr betreiben. Mir scheint das angesichts der im Kern unvereinbaren Auffassungen beider Organisationen hinsichtlich der Kooperationsmöglichkeiten (Föderation vs. operative Übernahme) eher unwahrscheinlich, dass das passieren wird.
Im Anschluss an den Vortrag gab es noch lebhafte Diskussionen über Sinn und Zweck der TGIC, über die mangelnde Bereitschaft der VU, hier auf die bestehende Lösung von easy Login zu setzen, über intransparente Entscheidungswege im GDV sowie über ganz prinzipielle Schwächen rund um Autorisierungsfragen bei technischen Organisationsbenutzern – insbesondere des letzte Punkt ist eigentlich nicht dem GDV oder der TGIC anzulasten, aber diese Differenzierung fiel manchen schwer.


DS1 e.G.

Die Kollegen von VSP wurden aufgrund der Berichterstattung in der Presse kurzfristig morgens eingeladen, nachmittags zu präsentieren. Einige VU-Vertreter fanden das ziemlich gut, denn die hatten auch gerade erst aus den einschlägigen Online-Journalen von dieser Datenserver-Genossenschaft gehört und waren bereits darauf angesprochen worden. Marketingmäßig hat Herr Kinadeter also (bis dahin) einen guten Job gemacht. Letzte Woche wurde in Hamburg die Datenserver eG gegründet: eine Genossenschaft, die den Aufbau einer Intermediärsplattform zwischen Maklern und Versicherern („DS1“) betreiben will.
Im Vortrag kam allerdings nicht so richtig heraus, inwieweit sich das Konzept technisch/fachlich von vergleichbaren Ansätzen unterscheidet, die es in letzten Jahren ja vielfach gab (z.B. indatex,con:center,cobus-M,Prometheus,Synergy.Net…). In der Kürze der Zeit gelang es auch nicht zu klären, inwieweit sich eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Nachrichten auf dem Weg vom Makler zum Versicherer mit Mehrwertdiensten in der Plattform selbst verträgt (denn um Mehrwertdienste auf den Daten ausführen zu können, müssten diese ja wohl in der Plattform lesbar vorliegen).
Unklar ist auch, ob es bereits eine technische Basis gibt, oder ob die Plattform erst durch die Zusammenschaltung (vom VU zu bezahlender) individueller Anbindungsprojekte entstehen wird.


Unterstützung von TAA-Prozessen zwischen Versicherer und Makler

Aus Sicht der Basler sind Fintechs und Insuretechs vom Geschäftsmodell her vielfach ganz normale Makler, so dass an diese die gleichen Anforderungen stellen zu sind wie für den klassischen „Analogmakler“. Wenn sie diese erfüllen, dann werden sie auch genauso unterstützt wie alle anderen Makler auch. Der Grund für diese Gleichbehandlung ist, dass es in Zukunft immer schwere fallen wird, hier eine trennscharfe Grenze zu ziehen – was passiert denn, wenn in Zukunft FinTechs statt studentischer Hilfskräfte Versicherungsexperten beschäftigen, die im Einzelfall individuelle Beratung anbieten? Was ist, wenn ein Makler in Zukunft manche Standardprozesse voll digital online abwickelt? Daher darf man hier auch heute nicht grundsätzlich unterscheiden.
Für die Unterstützung digitaler Prozess muss lt. Hrn. Hermann der Fokus zunächst auf den Prozess gerichtet werden – erst muss der für den Vertriebskanal passen, dann wird er digitalisiert.
Zwei Beispiele für die Angebote der Basler:
broker-online: hier fungiert die BSG als quasi hausinterner Assekuradeur, der ohne große Rücksichtnahme auf die Bestandssysteme der Basler schlanke, volldigitale Prozesse und sehr zielgruppenspezifische Produkte anbieten kann. Im Privatkundengeschäft ist hier eine Dunkelverarbeitung mit synchroner Bereitstellung der Police innerhalb von sieben Sekunden nach Beantragung erreichbar.
easytrade: hier wird dem eigentliche Portal ein schlanker, vereinfachter Standardprozess vorgeschaltet, mit dem man ohne vorherige Anmeldung sehr schnell Standarddeckungen für Kleingewerbe anbieten kann. Nur dort, wo vom Standard abgewichen wird, muss noch der vollständige Angebotsprozess im Extranet bemüht werden.
Noch ein kleiner Einblick ins Nähkästchen: die Basler speichert alle Angebot (vereinfacht oder vollständig, anonym oder personalisiert) komplett und ewig. Lediglich die persönlichen Daten werden entfernt, wenn gem. Datenschutzgesetz eine Speicherung nicht (mehr) zulässig ist. So kann man auch nach Jahren noch Auswertungen fahren und so z.B. Korrelationen zwischen bestimmten Merkmalskombinationen im Angebot und späteren Schadenverläufen ermitteln. Sicher eine gute Idee!
In der Diskussion nach dem Vortrag kam noch die grundsätzliche Frage auf, inwieweit vereinfachende Standardprozesse mit dem Beratungsauftrag des Maklers vereinbar sind. Hier kommt es vermutlich darauf an, dass der Makler diese Tools eben nur mit Bedacht einsetzt – grundsätzlich bleibt es aber sicher immer grenzwertig, wenn ein Makler für wesentliche Teile des Beratungsprozesses auf Werkzeuge des Versicherers zurückgreift.


Beim Vermittler kommt nur Durchschnitt an – Prozessdigitalisierung benötigt Datability-Standards

Herr Jörgens fokussiert sich hier einmal nicht so sehr auf Prozesse oder Produkte, sondern auf Verfügbarkeit der für den Geschäftserfolg relevanten Daten. Seine These: eine gewisse „Datensammelwut“ (also wertneutraler formuliert die Erhebung zusätzlicher, früher für den Kernprozess nicht relevanter Daten) ist zentraler Bestandteil der Digitalisierung.
Befragungen in Unternehmen haben gezeigt, dass die Bedeutung von Datenqualität in den Unternehmen zwar regelmäßig als hoch erkannt wird, dass aber die Beurteilung dieser Qualität vielfach nicht gelingt. Auch die Verantwortung für Datenqualität innerhalb einer Organisation ist oftmals nicht zufriedenstellend geregelt.
Die BiPRO-Norm 430.4 bietet die Möglichkeit, sehr detaillierte Informationen zu Bestandsdaten zu übermitteln. Die müsste aber aus den Backend kommen, was oftmals sehr schwierig ist. Herr Jörgens richtet aber den dringenden Appell an die Versicherer, nicht einfach BiPRO 430.4 auf Basis vorhandener Lösungen zur GDV-Datenversorgung zu bauen, denn dann übernimmt man die alten konzeptionellen Schwächen und gewinnt eigentlich nichts. Vielmehr regt er an, einen gemeinsamen Minimalumfang auf Basis des BiPRO-Datenmodells zu definieren, den dann alle VU implementieren. Einen entsprechenden Vorschlag hat SwissLife bereits gemacht.
Als Einsteig zur Beschäftigung mit Datenqualität an sich stellt Herr Jörgens eine aus der Literatur bekannte Methode vor, das „Friday Afternoon Mesurement“, bei dem mit sehr einfachen Mitteln statistisch Kenngrößen für die Datenqualität ermittelt weredn. Unter Anwendung der „10-fach Regel“ („Wenn Daten fehlerhaft sind, müssen sie in der Folge manuell korrigiert werden. Sind manuelle Korrekturen notwendig, steigen Prozesskosten im Gegensatz zur Dunkelverarbeitung korrekter Daten mindestens um Faktor 10.“) lassen sich dann überschlägig auch die Kosten abschätzen, die in einem Prozess durch Verbesserung der Datenqualität eingespart werden könnten.


BiPRO: Status-Quo und Entwicklungen

Dieser Vortrag hätte eigentlich den BiPRO-Themenblock am ersten Tag einläuten sollen, musste aber aus Termingründen auf den zweiten Tag verschoben werden. Relevante aktuelle Entwicklungen in der BiPRO waren daher größtenteils schon Thema am Vortag, so dass Hrn. Kern hier eher allgemeine Themen rund um den Verein und die zukünftige Ausrichtung präsentierte. So stellte er die neuen Beitrags- und Mitgliedschaftsmodelle vor, die wir auf der letzten Mitgliederversammlung im Dezember beschlossen haben, um neuen Mitgliedern den Eintritt leichter zu machen.
Er erwähnte die Aktivitäten in Österreich sowie den geplanten Ausbau von Dienstleistungen rund um die Anwendung von Normen (BiPRO-Academy, Themengruppen) sowie die Erarbeitung von Zulunftsthemen (BiPRO semantic, BiPRO Labs).
Mögliche neue Felder der Normierung könnten Schaden, Forderungsmanagement und Mandatswechsel sein; dabei müssen aber ggfs. Abstimmungen mit dem GDV erfolgen, um Doppelarbeiten möglichst zu vermeiden.


Den Kundenwünschen gerecht werden – versichert in allen Lebenslagen

Der erste von drei sehr unterschiedlichen Insuretech-Vorträgen.
SituatiVe betreibt unter der Marke Appsichern.de einen digitalen Assekuradeur für situative Versicherungen. Hier werden nach eigenem Anspruch innovative Produkte entwickelt, die durch kurze Laufzeit und niedrige Preise eher niedrigschwellig sind, die der Kunde also ohne große Bedenken spontan kaufen kann. Diese Produkte werden in Zusammenarbeit mit den Versicherern etnwickelt, die dann als Risikoträger eintreten. Typische Produkteinführungszeiten sind dabei 4-6 Wochen. Diese Produkte (z.B. WiesnSchutz, WasnSchutz, JeckenSchutz und WackenSchutz) werden dann über passende Marketingmaßnahmen (z.B Geofencing) sehr zielgruppenorientiert angeboten und erreichen daher auch entsprechend gute Conversion-Rates. Technisch ist da wohl wenig Hexenwerk; man bedient sich hier vor allem bestehender Lösungen und kombiniert diese. Allerdings ist vieles auch noch recht hemdsärmlig; insbesondere die rechtzeitige und korrekte Übermittlung der Vertragsdaten an den Risikoträger ist noch verbesserungsbedürftig – hier werden meist CSV-Dateien herumgereicht).


Digitalisierung der Altersvorsorge

Ein ganz anders FinTech-Modell. fairr.de ist rechtlich ein Mehrfachagent und arbeitet mit verschiedenen Anbietern von Altersversorgungsprodukten zusammen. Diese Produkte werden für diesen Vertriebskanal individuell zugeschnitten, denn – so die These von Herrn Puttfarken – „ein Online-Vertriebskanal mit alten Produkten funktioniert nicht; man braucht neue Produkte, die online funktionieren“. Das sind aus fairr.de-Sicht offenbar Riester-Produkte, bei denen man in der App per Schieberegler mal eben den monatlichen Beitrag ändern kann, wenn es gerade knapp wird. Außerdem sollen die Produkte so einfach sein, dass der Kunde alle Informationen findet und niemanden mehr fragen muss. Daher meinen die Kollegen auch, auf individuelle Beratung verzichten zu können.
Gerade letzteres sorgte für heftige Kritik – auch ein Mehrfachagent ist – obwohl kein Makler und daher auch nicht als Sachwalter des Kunden unterwegs – auf jeden Fall zu einer individuellen Beratung mit der entsprechenden Dokumentation verpflichtet. Insofern zeigt sich hier tatsächlich einmal die den FinTechs oftmals pauschal unterstellte Leichtfüßigkeit im Umgang mit Rechtsnormen, die anderen Akteuren oftmals im Wege stehen.


Mit Zusatzversicherungen die Kundenbindung erhöhen

Das letzte FinTech in der Runde. Rechtlich ein Makler, der anderseits aber als Pool agiert. Grundidee ist es, dem Makler die Möglichkeit zu geben, das Geschäft abzuwickeln, das sich normalerweise nicht lohnt (weil die Vergütung eben nicht in gesundem Verhältnis zum Aufwand für Beratung, Abschluss und Bestandsbetreuung steht). Das sind in diesem Geschäftsmodell vor allem Zusatzversicherungen, die teilweise situativ abgeschlossen werden (wie Reiserücktritt, Reiseabbruch, Drittfahrer-Schutz) etc. Besonderes Gewicht wird auf den Aspekt der Kundenbindung gelegt. Das erschöpft sich nicht darin, dass man als Makler über diese Plattform Dinge anbieten kann, die der Kunde braucht (das ist sicher eine notwendige Bedingung für Kundenzufriedenheit). Ebenso wichtig ist die Möglichkeit, über die Plattform Kundenkontakt zu halten (also z.B. mit Kampagnen/Mailings zu versorgen). Für mich stellt sich allerdings noch die Frage, wer damit wie Geld verdienen soll. Aber das ist bei den Start-Ups ja die falsche Frage…
Aus Maklersicht gab es auch hier einige wettbewerbs- und haftungsrechtliche Bedenken. Covomo erhält vom Kunden ein Maklermandat, verpflichtet sich aber in einem parallel mit dem „echten“ Makler zu schließenden Vertrag dazu, dieses Mandat nur für die vereinbarten Zwecke zu nutzen und die vom VU erhaltete Courtage an den eigentlichen Makler weiterzugeben. Die rechtliche Einordnung ist schwierig, denn hier vermittelt dann ja der eigentliche Makler nicht wirklich. Agiert als nur als Tippgeber? Dann hat er aber eigentlich auch keinen Anspruch auf die Abschlussprovision. Und wer da wem gegenüber wie weit haftet und wer welche Dokumentation erbringen muss, steht auch in den Sternen.

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